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Erzählungen aus der Sicht von Papa Caesar

Mitte Mai 2020

Grüezi!

So ganz kann ich meine Schweizer Wurzeln immer noch nicht verleugnen, auch wenn die Steiermark inzwischen zu meiner Heimat geworden ist. Amira hat gemeint, ab jetzt bin ich an der Reihe über die Jungs zu erzählen, sie hätte schließlich in den ersten Monaten genug mit der Rasselbande zu tun gehabt. Was soll ich sagen: für sie würde ich alles tun, auch Tagebuch führen, obwohl meine großen Pfoten nicht so toll dafür geeignet sind…

Der erste Monat als Vollzeit Papa ist vorbei, und ich kann durchaus verstehen, dass sich Amira in den letzten Wochen, wann immer es ging, ein wenig von uns Männern zurückgezogen hat. Sie hat einfach wieder neue Kräfte sammeln müssen, die Kleinen zu erziehen war wohl recht anstrengend. Außerdem wollte sie erreichen, dass wir eine echte Männerbeziehung untereinander aufbauen, auch wenn die Jungs noch weit von meiner Größe entfernt sind.

Ehrlich gesagt, hatte ich am Anfang ganz schön Bammel, nicht alles richtig zu machen. Wenn ich mal laut geworden bin, ist Amira (ganz Mama) sofort angekommen, hat mich beruhigt, die Jungs beruhigt, alle Wogen geglättet und ist dann wieder zu ihrem nächsten Schönheitsschläfchen verschwunden (als ob sie das nötig hätte, ist sie doch die tollste Löwin auf der Welt!). Jetzt weiß ich erst, wie wunderbar das Papa-sein ist, wenn sich die Drei an mich kuscheln und vertrauensvoll tief und fest schlafen, dann schlägt mein Vaterherz noch immer richtig schnell. Und dass ich mich auch ganz oft an Amira rankuscheln kann, macht alles noch viel schöner!

Mitte Juni 2020

Jetzt sind wir schon perfekt aufeinander eingespielt: morgens einen kleinen Happen für Amira und mich, großes Frühstück für die Jungs. Dann raus in den Garten, dort den ganzen Tag gemütlich in der Sonne dösen (sofern sie scheint), die Nachbarn links und rechts und den Bautrupp im Auge behalten (die tauchen immer zu den ungewöhnlichsten Zeiten auf). Am Nachmittag gibt es wieder großes Fressen für die Jungs, Amira und ich bleiben in der Zwischenzeit draußen, dann dürfen wir alle gemeinsam bis zum Abend weiter an der frischen Luft bleiben.

Und kaum glaubt man, dass alles wie gewohnt weiterläuft, ändert sich wieder etwas: Seit ein paar Tagen ist auf einmal der Schuber ins Nebengehege offen, wo bis vor kurzer Zeit noch unser Nachbar Simba gewohnt hat. Sein Brüllen ist ganz plötzlich, von einem Tag auf den anderen verstummt. Das war schon eine eigenartige Stimmung…

Die Jungs haben natürlich auch bemerkt, dass der alte Herr nicht mehr da ist. Aber die Jugend gewöhnt sich recht rasch daran, dass sich Dinge ändern. Für Amira und mich ist das nicht ganz so einfach!
Jedenfalls soll ich (so hat es den Anschein) auch diesen Bereich in Besitz nehmen. Also hab ich Amira und den Jungs gesagt, sie sollen brav in unserem Gehege bleiben und hab mich allein nach nebenan geschlichen. Einige Stunden habe ich dort ganz versteckt hinter einem Busch verbracht, um so alles gut im Blick zu haben, falls der Nachbar doch wiederauftauchen sollte. Aber alles ist ruhig geblieben, sicherheitshalber bin ich aber auch über Nacht geblieben, hab überall meine Markierungen gesetzt und bin am Morgen wieder zurück zur Familie. Seither schaue ich immer wieder mal nebenan nach dem Rechten, die Jungs müssen aber noch im Familienbereich bleiben, Amira will sie noch nicht nach oben lassen. Sie ist halt eine übervorsichtige Mutter!

Mitte Juli 2020

Seit ein paar Tagen trauen sich die Jungs jetzt ins obere Gehege, das hat Amira anfangs sehr nervös gemacht. Sie ist immer am Zaun entlanggelaufen und hat geschaut, wo ihre Kleinen sind. Die Jungs dagegen haben jede Menge Spaß gehabt und ausgelassen gespielt. Ich glaube, sie waren ganz froh, dass sie nicht immer unter der Aufsicht ihrer Mama waren. Das ganze Gras haben sie niedergewalzt bei ihren wilden Balgereien. Da haben die Tierpfleger richtig geschimpft, weil das Mähen mit der Motorsense dann ziemlich anstrengend war.

Immer als Erster mit Feuereifer dabei, wenn es was zu erkunden gibt ist Tiberius. Er ist ein richtiger Entdecker. Als zweiter traut sich dann Maximus, dem lässt es keine Ruhe, wenn sein kleiner Bruder sich was traut und er noch nicht. Spartacus lässt sich immer am meisten Zeit. Er ist eher der Bedächtige, schaut sich alles genau an, bevor er etwas Neues wagt.

Nach dem Frühstück am Morgen war der erste Weg der Kleinen Richtung Schleuse, nachschauen gehen ob auch wieder offen ist, durchspazieren, spielen und nach dem Spielen wieder zu Amira und mir zurückkommen. Irgendwann hat sich Amira ein Herz gefasst und ist ihren Burschen gefolgt, jetzt döst sie entweder gemütlich in der Nähe der Drei oder spielt auch mit. So hat sich das jetzt super eingespielt: tagsüber verbringt Amira mit Spartacus, Maximus und Tiberius einige Stunden im oberen Gehege, später zum Fressen am Nachmittag kommen alle wieder runter. Über Nacht bleiben wir gemeinsam in unserem Haus.
 

Mitte August 2020

Puh ist das heiß! Da kommt man sogar als Löwe mächtig ins Schwitzen bei den Temperaturen! Und unter meiner tollen Haarpracht ist es immer noch ein paar Grad wärmer. Aber was soll ich machen: Amira gefällt mein volles Deckhaar, also muss ich da durch! Bei den Jungs sind inzwischen auch schon erste Ansätze von längeren Haaren sichtbar, ich fürchte, die werden einfach viel zu schnell erwachsen.

Vor ein paar Tagen war Besuch aus Pilsen da, Amiras Ziehmama aus dem Zoo mit ein paar Kollegen, die wollten einen Blick auf meine Familie werfen. Ich glaube, es hat ihnen gefallen, was sie gesehen haben, ich hab jedenfalls nur glückliche Gesichter gesehen. Amira war ja irgendwie skeptisch, zum einen hat sie sich über den Besuch gefreut, zum anderen ist sie inzwischen voll in der Oststeiermark verwurzelt. Sie haben ihr ganz leise zugeflüstert, dass sie in Pilsen gerade wieder zwei neue Löwengeschwister bekommen hat…

Ich glaube Amira und ich lassen uns mit weiteren Kindern noch ein bisschen Zeit, die Jungs müssen ordentlich erzogen werden, und nachdem sie unsere ersten Kinder sind, will man da schließlich ja auch nichts falsch machen! Beim Fressen jedenfalls sind sie sehr diszipliniert: jeder an seinem Napf, da gibt es keine Drängeleien oder Streit, da wird nur geschlabbert was das Zeug hält. Bei einem saftigen Knochen schaut es ein wenig anders aus, der wird mit Zähnen und Krallen verteidigt!

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